Seminar mit Anne Schadde in Budapest vom 11. bis 13. November 2016
Budapest, und die Einladung auf die Schultern meiner homöopathischen Meister zu steigen
Foto: Budapest bei Nacht, Copyright Jürgen Domscheit.
Bei meiner Ankunft in Budapest war es grau. Die Bäume hatten ihre Blätter bereits verloren, und es war schwierig, die schöne alte Stadt aus dem Grau des Himmels für ihren ehemaligen Glanz zu erkennen. Meine Streifzüge durch Budapest verhalfen mir dann trotzdem, die Essenz dieser wunderschönen Stadt zu erkennen. Der Einfluss verschiedener Kulturen und die Epochen unserer Zeit machten sich an jeder Häuserecke bemerkbar. Ich bestaunte Barock- und Jugendstilhäuser, besuchte das Franz-Liszt-Museum, Budapests Denkmäler, Skulpturen und interessante Brücken. Den Burgpalast, das Regierungsgebäude, wunderschöne Kirchen und Synagogen, schmucke alte Kaffeehäuser, heilende Thermalquellen und zu guter Letzt auch noch die bronzenen traurigen Schuhe an der Donau, die an das unmenschliche Schicksal der ungarischen Juden im 2. Weltkrieg erinnern.
Meine Empfindungen waren so vielschichtig wie das Leben selbst. Ich spürte, wie im Innersten dieser Stadt etwas ganz Eigenes und Wunderschönes brodelt. Die Menschen, die vor mir auf dieser Erde weilten, haben diesen Ort mit Bauten geschmückt, die uns das Erkennen dieser inneren Schönheit einfacher machen soll. Aber da ist auch viel Graues, und zwar nicht nur am Himmel, sondern man spürt, dass auf dieser Stadt viel Trauer lastet. Eine Trauer, die sich durchaus erklären lässt, wenn man die Geschichte Budapests genauer studiert.
Mit meinem kleinen Koffer im Schlepptau fand ich mich dann pünktlich zum eigentlichen Seminarbeginn in der Hotel-Lobby ein. Ich erhielt den Schlüssel zu meinem Zimmer und trabte los in Richtung Lift. Das Hotel war relativ neu und eher ausdruckslos. Ein “Neubau”, geprägt von einer Zeit, wo die Stadt unter dem Regime von Stalin gestanden und gelitten hat. Es war hilfreich, auch diesen Teil von Budapest kennenzulernen. Es hat mir geholfen, die kollektive menschliche Entwurzelung vom reichen kulturellen Erbe, dessen Energie tief im Inneren dieser Stadt brodelt, zu verstehen.
Und so kommen wir zum eigentlichen Seminarbeginn mit Anne Schadde
Anne begrüßte uns alle sehr herzlich. Eine Übersetzerin, stürzte sich mit Haut und Haar in ihre Rolle und es gelang ihr, Anne’s Worte, Gesten und sogar ihre Energie, (angereichert mit ihrer eigenen) auf Ungarisch an die Seminarteilnehmer weiterzuleiten. Das hat zur Einzigartigkeit dieses Seminars beigetragen und wird mir immer in lebhafter Erinnerung bleiben.
Anne begann mit dem Organon. Sie munterte uns auf, in die Tiefe zu schauen. Zu erfassen, was Hahnemann wirklich meinte, als er sein Organon schrieb. Wir entzifferten zusammen die ersten drei Paragraphen, und Anne versuchte, uns eindrücklich in die Zeit zurückzuführen, in der Hahnemann gelebt hat. Es war die Zeit der Aufklärung nach dem Mittelalter, in der tiefe Einsichten von weniger Wissenden verworfen wurden, Hexen verbrannt und viele schreckliche Dinge geschehen waren. Aber die wichtigen Erkenntnisse dieser Welt wurden von geheimen Logen, wie den Freimauern in die neue Zeit weitergetragen.
Mit einer großen Bereitschaft, uns der zeitlosen Intelligenz, deren Grundprinzipien auch die Homöopathie folgt, zu nähern, führte Anne Schadde uns dann noch weiter in die Geschichte der Menschheit zurück und zeigte uns, dass das Simile Prinzip bereits von Paracelsus erkannt wurde. Wir sprachen auch von Pythagoras, der die höhere Bedeutung von Zahlen/ Nummern erkannt hat.
Anne forderte uns immer wieder auf, für uns selbst zu denken “AUDE SAPERE”, und den Seminarinhalt nicht nur mit dem Verstand zu erfassen, sondern in die Tiefe mitzugehen. Es wurde ganz schnell klar, dass Anne Schadde hier war, um etwas von sich selbst zu geben. Etwas Eigenes, das in den Tiefen, den Weisheiten und der Verbundenheit mit einer Kraft ruht, die so alt ist wie das Leben selbst.
Wir wurden ermuntert, uns auf die Schultern unserer homöopathischen Vorfahren zu stellen, uns dem zeitlosen Wissen, das auch sie sich schon zu Nutzen gemacht hatten, anzunehmen, mit dem höheren Zweck unseres eigenen Daseins zu bereichern und schlussendlich, wenn die Zeit gekommen ist, alles an die Homöopathen und Suchenden, die nach uns kommen, weiterzugeben.
Und so sprachen wir dann auch von der Vitalkraft, die den Körper bei guter Gesundheit hält, deren Kraft unserem Tun aber auch einen tieferen Sinn verleiht, damit sich das Göttliche in uns entfalten kann.
Wichtig war es, den Paragraphen 71 aus dem Organon zu verstehen, um erkennen zu können, was das “wirklich Krankhafte” im Menschen überhaupt ist.
Aufgebaut auf dem soliden und umfassenden Grundverständis der klassischen homöopathischen Fallaufnahme und Repertorisation wandten wir unsere Aufmerksamkeit dann der von Rajan Sankaran’s bekanntgemachten Empfindungsmethode zu. Anne gab uns eine Einführung in Sankaran’s Naturreiche (Mineralien, Pflanzen, Tiere) und machte uns mit den sieben Empfindungsstufen seiner Methode vertraut. Sie zeigte uns auch sehr eindrücklich wie die Fallaufnahme, basiert auf der Empfindungsmethode, zwar mehr Zeit braucht, wie aber dieses tiefe Erfassen und Verstehen des “wirklich krankhaften” in unseren Patienten die Auswertung unserer Repertorisation schlussendlich einfacher machen wird, da wir in der Fallaufnahme bereits eine innere Klarheit erlangten, in welchem Naturreich sich unser gesuchtes Mittel befinden muss.
Anhand diverser Videofälle zeigte uns Anne auf eindrückliche Art und Weise wie wir die Empfindungsmethode anwenden können. Sie lehrte uns wie wir unsere Patienten durch gute Fragen, einer unvoreingenommenen Offenheit und unserer Bereitschaft, präsent zu bleiben, auf jene bewusste Ebene führen können wo sie die Energie, die ihre Krankheit in sich trägt, nicht nur durch Worte und Gesten auszudrücken vermögen, sondern die sie selbst zum Beobachter ihres inneren Energiemusters macht. Sie zeigte uns verschiedene Techniken und Vorgehensweisen und half uns, bei der Repertorisation zu verstehen, ob die energetischen Muster oder inneren Empfindungen zum Reich der Mineralien, Pflanzen oder zu den Tieren gehören.
Wir lernten den Unterschied zwischen einer Delusion (was die Menschen glauben, zu sein) und der Sensation (strange, rare and peculiar) zu erkennen und Anne zeigte uns, wie wir es vermeiden können, dass unsere Patienten bei der Fallaufnahme in ihren Emotionen, das heißt in ihrer Geschichte, steckenbleiben.
Anne präsentierte eine Aristolochia clematis Patientin, und dazu besprachen wir dann auch die zwei Gruppen von Pflanzen, die die Insekten nur einsperren zu denen, die die Insekten verdauen. Wir sahen einen Fall, wo Lapislazuli sich als Simile herausstellte, einen weiteren Fall mit dem Edelstein Turmalin. Von beiden Edelsteinen gibt es homöopathische Prüfungen. Die Mittel Carbo vegetablis, Oxygenium und Ozon wurden anhand von Video-Fällen differenziert.
Es war faszinierend, den Weg der Patienten über körperliche Symptome, Emotionen und persönlichen Wahrnehmungen (Delusions) an einen Ort mitzuverfolgen, wo sie mit einer inneren Empfindung in Verbindung traten, die nicht mehr “human specific” ist, sondern die ihre eigene Dynamik und Intelligenz besitzt, die zweifelslos einer Substanz aus dem Naturreich zugeordnet werden kann.
Sonntagnachmittag kam, und die Zeit des Abschieds rückte näher. Wie alle anderen Seminarteilnehmer packte auch ich mein Laptop weg und verließ schweigend den Raum. Was in mir zurückblieb war eine Traurigkeit. Es war dieselbe Traurigkeit, die mich schon die ganze Zeit durch diese Stadt begleitet hat. Interessant… Ich nahm ihre Energie dankbar in mich auf und konzentrierte mich darauf, mir selbst zu vergeben. Zu verzeihen, dass ich mich im Nebel der Hoffnungslosigkeit und Haltlosigkeit, die uns kollektiv umgibt, verlaufen hatte.
Danach bin ich in meinem Geist Anne Schadde’s Aufforderung gefolgt und habe mich willentlich und in unendlicher Dankbarkeit auf die Schultern meiner großen homöopathischen Meister gestellt. Im festen Wissen darum, selbst zu einem Glied einer unsichtbaren Kette zu werden, damit die Homöopathie, auf die ich so sehr vertraue, weiterhin dazu beitragen kann, dass das Krankhafte im Menschen geheilt werden kann, damit wir kollektiv auf unserem Weg weiterkommen und so auf unsere ganz eigene Art und Weise zum größeren Wohl dieses Planeten beitragen können.
Am Wochenende 18. und 19. März 2017 hält Anne Schadde ihr nächstes Seminar mit dem Titel „Psyche und Homöopathie - die Kunst der Anamnese“ in Aarau, Schweiz. Weitere Details und Anmeldemöglicheiten finden Sie hier: http://www.artis-seminare.ch/sites/home.html
Über die Autorin: Sabine Sommerhalder, Schweizerin mit Wohnsitz in Australien. Studierte Naturheilkunde und Homöopathie Seit 2004 als Heilpraktikerin in eigener Praxis Kontaktadresse: Sabine Sommerhalder 179 Minsterly Road Ocean Beach WA 6333 Australia sabinesommerhalder@iinet.net.au