Ein Beitrag von Anne Schadde
Der Zeitgeist 2020 bietet fortlaufende Neuorientierungen in unserem Leben. Es gibt keine Blaupause für die jetzige Zeit. Allerdings stellt sich die Frage: Gibt es wirklich eine Blaupause *1 (eine „Licht“-Pause) für irgendeine Periode im Leben der Menschen? Wenn ich das Licht in jeder Zeit erkennen kann, kann ich das Neue, Beginnende klarer sehen (s. Video: Woran erkenne ich das Licht in der Krise: YouTube-Link)
In der homöopathischen Praxis erleben wir eine wellenartige Bewegung: Zu Beginn der Krise waren es die vorherrschenden Ängste, die unterschiedlich erlebt wurden. Angst ist ein Phänomen, ein wichtiger Warnhinweis vor Gefahren, die uns drohen können. Wenn allerdings die Angst zu gross wird, kann sie hinderlich sein im Leben. Diese Angst kann zum Magneten werden für den Gegenstand des Befürchteten. Furcht entsteht durch eine konkrete Bedrohung, Angst hingegen ist meistens diffus, etwas Bedrohliches, was ‚geschehen kann‘ und damit nicht steuerbar ist, könnte sich ereignen. Daher ist es sinnvoll, hier Bewusstheit eintreten zu lassen, damit die Anziehungskraft aufhört und klares Denken wieder eintritt.
Meine Empfehlung ist daher, neben den homöopathischen Angst-Arzneien, die zahlreich sind, und individuell ausgesucht werden müssen, die Patienten zur Bewusstheit aufzufordern. Ich nutze da eine Empfehlung: „Erlauben Sie sich z.B. 10 Minuten oder 30 Minuten diese Angst wahrzunehmen, dann öffnen Sie das Fenster oder die Türe und geben diese Angstenergie an die frische Luft und gehen nun zu etwas Alltäglichen über.“ Damit wird die Angst - mit der eher behindernden als hilfreichen Energie - nicht unterdrückt, aber sie kann eingegrenzt werden in Zeit und Raum durch die Bewusstwerdung.
Der Neuropsychologe Rick Hanson * 2, empfiehlt, die elementare Schutzfunktion der Angst zu überwinden, in dem wir lernen, täglich mehrfach auf das Gute, das Heile zu schauen, das uns umgibt. Dieses „Auf-das-Gute Schauen“ muss trainiert und geübt werden, um es tief wahrnehmen zu können. Die Fähigkeit zu Mitgefühl, Dankbarkeit und Entschlossenheit sind die Schlüssel zu Resilienz und damit auch zu stabilerem Gesundheitszustand (§ 9 Organon: Im gesunden Zustande des Menschen)
Eine andere Reaktion in dieser Zeit ist die Wut und der Protest auf Einschränkungen, dem Tragen von Mundschutz, den Abstands-Regelungen usw. Und natürlich noch weiter - in der eventuell zu erwartenden Zukunft - die Wut und Furcht vor Impfungen und weiteren Übergriffen. Damit ist die Wut mit Angst oder Furcht verbunden und stellt nur eine andere Seite der möglichen Reaktion dar. Auch hier gilt es, sich der vielen Möglichkeiten der Entfaltung des Lebens bewusst zu werden und mehr im Augenblick zu bleiben.
All diese Reaktionen sind natürlich individuell zu betrachten und zu behandeln. Die momentane Zeitqualität allerdings ist die Aufforderung an ein Aufwachen aus Illusionen, Vorstellungen, Wünschen, und Projektionen, der Beginn der möglichen Bewusstwerdung des Menschen.
Aristoteles sprach: „So meidet denn jeder Kundige das Übermaß und den Mangel und sucht und wählt die Mitte.“ Ein „Kundiger“ ist jemand, der sich auskennt, der die Zeitqualität, den ZEITGEIST, bewusst betrachten kann und nicht in dem Extrem der eigenen Sichtweise verharrt. So ist es hilfreicher, die „Langeweile“ der Mitte zu suchen. Angst und Wut polarisieren, und daher ist die Mitte die „gute“ Wahl. Auch Bert Hellinger drückte es aus „Die Mitte fühlt sich leicht an.“
Mittlerweile ist zu beobachten, dass die Angst vor der Infektion ein wenig abgeklungen ist. Die fortschreitende Entwicklung fördert die Hinwendung zu den „alten“ Beschwerden. Sie vermischen sich jetzt mit den Situationen der Gegenwart..
Der Zeitgeist ermöglicht, dass alte Wunden aufbrechen müssen, um geheilt werden zu können. Alte Konflikte zeigen sich in neuem Licht (Corona = der Schatten der Sonne) und können jetzt in größerer Klarheit durchschaut werden. Patienten, die sich lange mit Problemen auf verschiedenen Ebenen (körperlich oder psychisch) in einer Art Unentschiedenheit erlebten, können in dieser Zeit ihre Lebenssituation klarer erkennen. Sie erscheint in neuem Licht und damit werden auch weitere oder andere Lösungen möglich. Dieser Erkenntnisprozess ist auch im Alltagsleben, der beruflichen Tätigkeit zu erwarten, es werden sich neue Türen auftun. Das ist die Herausforderung dieser Zeit. Die Begleitung der Patienten an dieser Stelle ohne Angst und mit Mut und Vertrauen ist hier von wesentlicher Bedeutung. Denn Vertrauen in eine neue Zeit setzt voraus, dass sich die Zukunft (kunft etymologisch von kommen) zeigen wird, der ZEITGEIST wird sich entfalten. Robert Jungk, der Zukunftsdenker und Erfinder sagt: „Die Zukunft hat schon begonnen. Aber noch kann sie, wenn rechtzeitig erkannt, verändert werden“.
Ich hatte dazu einen „luziden“ Traum: Ein Baby sitzt auf einer geöffneten Festplatte, die Drähte sind sichtbar. Das Baby trägt eine Windelhose, daher wird es nicht verletzt. Es „posaunt“ etwas in die Welt.
Ein luzider Traum kann sowohl aus dem persönlichen als auch aus dem kollektiven Unbewussten verstanden und erklärt werden. Es ist die Festplatte geöffnet, die alle alten Informationen gespeichert hat. Die (sykotische?) Abdeckung ist verschwunden. Die alten Wunden, die im Laufe des Lebens festgehalten wurden, werden sichtbar. Allerdings ist das junge Leben geschützt vor den Verletzungen. Auf der kollektiven Ebene ermöglicht diese Öffnung, dass auch die alte Weisheit hervortreten und in die Welt „posaunt“ werden muss. So spielt auf der persönlichen Ebene die Biografie eines jeden Einzelnen (auf der persönlichen Festplatte gespeichert) eine wichtige Rolle in dem Gesamtkonzert der Entwicklung des Menschen. Denn es geht um eine Erkrankung, die alle erfasst, auf unterschiedliche Art und Weise und damit ist auch die Heilung ein gemeinsamer Prozess.
Ist das nun der Beginn eines Paradigmen-Wechsels, der Beginn einer neuen Zeit? Wie erleben wir den „Ruf“? Was können wir Homöopathen dazu beitragen?
„Erkenne Dich selbst“, so stand auf den Tafeln des Apollo-Tempels in Delphi. Hahnemann sagt in § 141 des Organon über „…diejenigen Prüfungen der reinen Wirkungen einfacher Arzneien… die der gesunde, vorurteilslose, gewissenhafte, feinfühlige Arzt an sich selbst…anstellt, die vorzüglichsten“ sind. Und weiter erwähnt er in der Fußnote2 „Ferner wird er durch solche merkwürdigen Beobachtungen an sich selbst, theils zum Verständnis seiner eigenen Empfindungen, seiner Denk- und Gemütsart (dem Grundwesen aller Weisheit ‚Gnothi seauton = Erkenne Dich selbst, theils aber, was keinem Arzte fehlen darf, zum Beobachter gebildet.“
Daher sind wir Homöopathen aufgerufen, über den ZEITGEIST zu erkennen, was in der Welt geschieht. Sich selbst zu erkennen läuft einher mit dem Erkennen des anderen, diese Hinweis gab uns Hahnemann. Er beobachtete zu seiner Zeit genau, welche Substanzen zu homöopathischen Arzneien dienten. Damit gab er Aufschluss über den Zeitgeist der damaligen Epoche und gemäss dem Ähnlichkeitsprinzip dieser Zeit entsprachen.
So haben wir (meine Arbeitsgruppe) entschieden, ein Mittel für die Zeit auszuwählen. Es war ein gemeinsamer Prozess wie es für diese Zeit angebracht ist.
Welche Substanz entspricht dem Neuen, das aus dem Alten entsteht? Welches Naturreich umfasst alles? Mineral - Pflanze - Tier?
Wir entschieden uns für das Naturreich der Pilze, ein Sonderreich (haben wir nicht jetzt eine besondere Zeit?)! Den Pilzen haftet etwas Geheimnisvolles an, sie wurden von je her in Alchemie und spirituellen Traditionen verwendet, um mit dem Reich jenseits unseres Bewussstseins in Kontakt zu treten. Sie sind mysteriös, von großem Nutzen für die Natur (ein mysteriöses Virus und die Natur erholt sich in dieser Zeit!).
Das Myzel der Pilze ist nicht sichtbar, unterirdisch wird ein engmaschines Netz gebildet, ein Kommunikationsnetz (www?). Der Pilz selbst ist nur der Fruchtkörper. Pilzmyzele dringen in Gewebe (z.B. Holz) ein und zerstören das Alte, Schwache, Kranke und helfen bei der Aufbereitung für neues Leben.
Wesentlich ist auch die Geschwindigkeit. Nach langer unterirdischer Vorbereitung schießt der Fruchtkörper aus dem Boden, vermeintlich aus dem Nichts. (War die Corona-Erkrankung nicht das Auftauchen einer Infektion, mit der niemand gerechnet hatte?) Pilze greifen in die Zellteilung ein. (Greift nicht diese Infektion in unser aller Leben ein?)
Unsere Entscheidung fiel auf einen seit Jahrtausenden in China und Japan verwendeten Heilpilz: Reishi (japanisch), Ling Zhi (chinesisch), Ganoderma lucidum (lateinisch), glänzender Lackporling (deutsch). Er galt in der alten Tradition als ein kostbares Lebenselexier, das die Lebensdauer verlängern kann. Auch in der Phytotherapie werden diesem Pilz ungewöhnliche Kräfte zugesprochen.
Nach der Verreibung in der Enzian-Apotheke in München fand eine HAMSE statt. Mein Dank geht an die Kolleginnen und Kollegen, die bei der Erarbeitung dieser Arznei ihre Aufzeichnungen und Erkenntnisse zur Verfügung stellten. Anneliese Barthels mit ihrem umfangreichen Wissen um die Pilze * 3 half bei der Aufbereitung der Materia Medica, die auf meiner website mit allen sich gezeigten Symptomen und Erlebnissen nachzulesen ist.
Einige markante Hinweise ermöglichten die Betrachtungen zum Zeitgeist Corona:
Es tauchten Erlebnisse des Widerstands, der Rechthaberei mit dem Überschreiten der Grenzen des anderen, entweder verbal oder auch physisch mit dem Verlangen, zu verletzen (aber auch aufzudecken?) aber auch Nachgiebigkeit und Ergebenheit auf. (Themen der Pilze allgemein)
Die Transzendenz der Pilzwelt eröffnete sich in der Furcht vor der Auflösung des Körperlichen und der Beeinflussung durch andere Welten. Aber alles wird aufgedeckt, so dass nichts mehr unter Verschluss gehalten werden kann.
Eine interessante Beobachtung in der Zeit der Beschäftigung mit der Pilzarznei war das vermehrte Erscheinen von Hummeln und durch Sonne und Regen von vielen Regenbögen. Aus der populären Literatur ist das Hummel-Paradoxon bekannt. (Die Hummel hat 0,7 cm² Flügelfläche und wiegt 1,2 Gramm. Nach den Gesetzen der Aerodynamik ist es unmöglich, bei diesem Verhältnis zu fliegen. Die Hummel kümmert das nicht und sie fliegt trotzdem, oder da die Hummel die Gesetze der Aerodynamik nicht kennt, fliegt sie dennoch, s.a. Link auf Wikipedia). Vielleicht die Aufforderung an die Corona-Zeit, sich etwas zuzutrauen, für das man nicht unbedingt ausgerüstet ist. Dazu noch den Mut, der neuen Zeit eine Entfaltungsmöglichkeit zuzugestehen in dem Vertrauen auf die Vielfalt der Möglichkeiten wie die Farben des Regenbogens, als die zweifache Reflexion des Lichtes.
Link zur Studie (Hamse) von Ganoderma lucidum

Foto: Ganoderm lucidum Copryright VikVanda, www.flickr.com
Anne Schadde www.anneschadde.de
Fußnoten:
- 1 Blaupause ist eine Lichtpause von einer durchsichtigen Vorlage, die weiße Linien auf einem bläulichen Papier ergibt
- 2 Hanson, Rick, „Das resiliente Gehirn“, Arbor-Verlag, 2019
- 3 Barthels, Anneliese; Pilze in der Homöopathie und der Naturheilkunde, www,ml-buchverlag.de, 2018
Pünktlich zur Veröffentlichung ihrer Studie über den Heilpilz Ganoderma lucidum, erschien auch das nachfolgende Interview: "Die Suche nach der Substanz", Thomas Maria Peters im Gespräch mit Anne Schadde über ein neues Mittel. Liebevoll erstellt und künstlerisch anspruchsvoll umgesetzt, beschreibt Anne ihre Suche nach der Zeitgeist-Arznei.